2006  = 100. Meißner Bergturnfest

auf dem Sportplatz "Hausener Hute"

 

Teil 2: Die Meißner – Bergturnfeste (Turnverein Jahn 1899 Eschwege) sowie diverse Zeitungsartikel und Auszüge aus Festzeitschriften.

 „Turnvater“ Friedrich Ludwig Jahn wollte vor den Toren Berlins, auf der Hasenheide, aus seinen Jungen „tummelhafte Kerle“ machen. Weitab von der Enge der Stadt sollten in frischer Luft durch turnerische Übungen und Wettkämpfe neue Kräfte gesammelt werden. Gleichzeitig kam es darauf an, im selben Atemzug die Schönheiten der näheren Heimat und die gesunde Natur zu genießen.

Ähnliche Gedanken hatte Ende des vorigen Jahrhunderts der damalige 2. Vorsitzende des TV Eschwege 1848 und Gauvertreter im Werragau, Herr Bernhard Engelhardt. Der Meißner mit seinen großen Wiesen oberhalb von Hausen und am Viehaus bot sich für eine derartige Veranstaltung an. Am 22. August 1897 fand das erste Meißner-Bergturnfest statt und ist damit das älteste Bergturnfest im nordhessischen Raum. Das Rhön-Bergturnfest wurde erstmalig 1905 gefeiert, das neu ins Leben gerufene Wilhelmshöher Bergfest wurde nach einer im Jahre 1908 getroffenen Vereinbarung abwechselnd gemeinsam veranstaltet.

Am 19. August 1900 fand das 2. Bergfest statt. Es nahmen rund 200 Turner teil. Von Allendorf beteiligten sich 25 Mitglieder des Turnvereins, am Wetturnen selbst nahmen hiervon nur 2 Turner teil. Keiner von beiden konnte jedoch einen Siegerkranz erringen.  

Die Sieger des Turnverein Jahn 1899 aus Eschwege 2. Bergfest Meißner vom 19.08.1900.

Die Namen lauten, jeweils mit Angabe des Platzes:

  3. Preis – Karl Heising                8. Preis – Ernst Saame

11. Preis – Heinrich Kriger          14. Preis – Wilhelm Stengel

20. Preis – Ernst Güntheroth       21. Preis – Ernst Heinemann

22. Preis – Reinhold Jung           23. Preis – Karl Quentel

 24. Preis – Wilhelm Glockenmeyer, Eduard Fuß und Johannes Pempel

 25. Preis – Karl Schröder            31. Preis – Georg Büchner

 33. Preis – Ernst Schröder  

Ein Diplom vom 2. Bergfest ausgestellt für den Turner Karl Heising, der mit 43 Punkten den 2. Preis errang.

Für das Kampfgericht unterzeichneten Gauvertreter Engelhardt, Gauturnwart Keitel und Stellvertreter Stengel.

Die Zeichnungen entsprechen ganz dem Zeitgeist der Jahrhundertwende.

Im Jahre 1902 folgte unter sehr starker Beteiligung des „TV Jahn“ Eschwege das nächste Bergfest. Mehr als 200 Wettkämpfer nahmen an den Ausschreibungen teil.

Beim folgenden Meißner-Bergfest am 19. August 1906 waren von 83 Siegern 17 Mitglieder des „TV Jahn“ aus Eschwege.

Die ersten drei seien hier genannt:

5. ) - Fritz Wiegand        11. ) – Albert Götting

13. ) – Georg Schmalhans

Das Bergfest am 6. September 1908 brachte dem Verein 10 Sieger, wovon die ersten drei

  5. ) – Fritz Wiegand            13. ) – Albert Götting

14. ) – Karl Quentel   

  hießen.

1907 lud Gauvater Engelhardt den gesamten 7. Turnkreis auf den Meißner ein, und sehr viele Turner aus allen Gauen des Kreises folgten dieser Einladung.

Bereits ein Jahr darauf wurde, wie erwähnt, ein weiteres Bergfest durchgeführt, das nächste fand am 14. August 1910 statt. Hierzu hatten die Gauvertreter Prof. Beinhauer (Nordhessen) und Gymnasiallehrer Engelhardt (Gau Werra) in der Nähe des Viehhauses eingeladen.

Als Wettübungen waren bestimmt:

Dreisprung, Schleuderballweitwerfen, Kugelschocken, Hochsprung und Stabweitsprung.

Könnte man nicht glauben, Turnvater Jahn habe die Übungen selbst ausgeschrieben?  Der Festbeitrag war für Wetturner auf 1 Reichsmark, für andere Festteilnehmer auf 20 Pfennig festgesetzt worden. Bei diesem Bergfest, wo nur 50 Wetturner angetreten waren, wurden vom TV Jahn mit Kranz und Ehrenurkunde geschmückt:

4. ) – Gustav Bierwirth, 13. ) – Albert Götting, 14. ) – Gustav Heinemann

Am 11. Juli 1911 unternahm der TV Jahn aus Eschwege eine eintägige Tour nach dem Meißner. Für 50 Pfennige fuhr man mit dem Zug nach Hasselbach, von da ging es über die Seesteine, Kitzkammer nach der Restauration Viehhaus, wo gefrühstückt wurde. Über Kalbe und Schwalbenthal marschierten die Turner, Vockerode und Abterode berührend, zur Bahnstation Albungen. Von hier aus ging es nach Eschwege zurück. Die Gäste warteten in Niederhone auf ihre Anschlusszüge in Richtung Eichenberg, Bebra, Treffurt und Nordhausen. 

Im August 1911 wurde das 6. und 1913 das 7. Meißner-Bergturnfest durchgeführt.

Von 1914 bis 1918 fielen alle sportlichen Veranstaltungen aus.

1919 hielt der Werra Gau besonderer Umstände wegen das 8. Bergfest auf dem Hanstein ab.

Zum Meißner-Bergfest 1920:

Werra – Gau

Zum ersten mal wieder seit 1914 veranstaltete der Gau am Sonntag den 15. August eine Gauturnfahrt nach dem Meißner, wo alsdann ein Fünfkampf in zwei Klassen, und zwar im 100m-Schnellauf, Stabhochsprung, Weitsprung, Kugelstoßen und Kürfrei- oder Stabübung bzw. Schlagballweitwurf ausgetragen wurde, dem sich noch Sonderwettkämpfe im Diskuswerfen, Hochsprung aus dem Stand und Schleuderball anschlossen.

An dieser Gauturnfahrt und dem Wettkampf beteiligten sich außer fast sämtlichen Vereinen des Werragaues auch noch solche anderer Gaue und zwar Casseler, Melsunger, Treysaer usw. Vereine und waren insgesamt ca. 250 Wetturner zur Stelle.

Seit nunmehr 23 Jahren veranstaltet der Werragau fast alljährlich ein solches Meißnerbergfest und erfreut sich dasselbe weit über die Grenzen des Gaues hinaus und nach wie vor  besonderer Beliebtheit. Wegen der großen Entfernungen müssen die Turner meistens schon tags zuvor abends von ihrem Wohnort aufbrechen und in einer am Fuß des Meißners gelegenen Ortschaft Nachtquartier beziehen. Von hier aus erfolgt dann mit Tagesanbruch die Ersteigung des Bergrückens, um sich auf demselben an idyllischer Stelle im friedlichen Wettkampf zu messen. Der Beginn des Wettkampfes war diesmal auf 10 Uhr vormittags festgesetzt. Nachdem Herr Gauturnwart Henneberg die Riegen eingeteilt und den Riegenführern und Kampfrichtern ihre Plätze zugewiesen, sowie die nötigen Anweisungen erteilt hatte, begrüßte Herr Gauvertreter Herr Albrecht die Wetturner mit markigen Worten und wurde hiernach zum Wettkampf übergegangen. Derselbe gestaltete sich recht lebhaft und scharf und waren die gezeigten Leistungen  durchweg sehr gut. Zur Erlangung eines Preises war in beiden Klassen die Mindestpunktzahl auf 50 festgesetzt. Aus der ersten Klasse gingen 83 und aus der zweiten 56 Sieger hervor. Besonders stark vertreten waren und haben sehr gut abgeschnitten die meisten der anwesenden kleinen ländlichen Vereine, ein erfreuliches Zeichen dafür , dass der Wert des Turnens auch auf dem flachen Lande mehr und mehr erkannt und gewürdigt wird. Um 4 ½ Uhr nachmittags endete der Wettkampf und konnte um 5 Uhr mit der Verkündigung der Sieger begonnen und ihnen die wohlverdienten Eichenkränze, bzw. Sträußchen ausgehändigt werden. In längeren Ausführungen beglückwünschte Herr Gauvertreter Albrecht die Sieger und ermahnte gleichzeitig zu eifriger Weiterarbeit in den Vereinen. Er schloss seine Rede mit dem Wunsche, auf ein fröhliches Wiedersehen beim nächstjährigen Meißnerbergfest und brachte auf die edle deutsche Turnsache, insbesondere die des Werra-Gaues, ein dreifaches „Gut Heil“ aus.

Albrecht , Gauvertreter,      Apel,  Gauschriftwart

Meißnerbergfest am 15. August 1920

1. Klasse

Sieger                                                                               Punkte

  1.   Erich Cassel, Casseler Turngemeinde                             94

  2.   Hans Noldt, Tgd. 1848 Göttingen                                 86

  3.   Georg Borschel, TV Jahn Sontra                                    85

  4.   Eduard Hebaum, Turn- und Feuerwehrverein Allendorf    84

  5.   Ludwig Müller, Turn- und Sportv. Göttingen                 81

  6.   Heinrich Nölke, TV Jahn Sontra                                    79

  7.   Carl Borchert, Melsunger Tgd. 1861                            781

  8.   Carl Oestreich, Turnabtlg. Des Eisenbahn-V. Treysa       771    

        Adolf Uslar, Turn- und Sportv. Göttingen                 

  9.   Wilhelm Siebert, Casseler Tgmd.                                 77

10.   Heinrich Nölke, TV Jahn Dens                                       761

11.   Georg Neumann, TV Waldau                                         76

12.   Paul Löbert, TV Jahn Eschwege                                    75

13.   Adolf Appel, Tgmd. Mosheim                                       74

14.   Albert Rohrbach, TV Bischhausen                                  73

15.   Oskar Schuchard, TV Jahn Eschwege                             721

16.   Georg Heer, Melsunger Tgmd. 1861                              72

        Fritz Wiegand, TV Jahn Eschwege

17.   Theodor Deller, Turn- und Feuerwehrverein Allendorf     701

 

2. Klasse

Sieger

1.         Konrad Hain, Tgmd. Mosheim

2.         Ernst Gerlach, TV 1861 Eschwege

3.         Ernst Heuckeroth, TV Jahn Eschwege

Ullrich Heinemann, Gymn. TV

4.         Klaus Kleinschmidt, TV „Gut Heil“ Laudenbach

5.         Walter Beyer, Tbd. Hann-Münden

6.         Paul Daube, Turn- und Sportv. Göttingen

7.         Eduard Rohrbach, TV Bischhausen

8.         Heinrich Köhler, Gymn. TV Eschwege

9.         Franz Gerhold, Seminar TV Eschwege

10.    Wilhelm Jung, Gymn. TV Eschwege

11.    Hermann Noll, Turn- und Sportv. Göttingen

12.    Gustav Knorn, TV Jahn Allendorf

 

 Diese Anzeige stammt aus einer alten Turnerzeitschrift.

Das Meißner-Bergfest im Jahre 1924 konnte sich einer besonders lebhaften Teilnahme erfreuen. Doch ging von jetzt ab allmählich die Zahl der Teilnehmer auf den Bergfesten zurück. Das veranlasste den Tbdr. Henneberg,  Eschwege, einen Artikel über: „Ein neuer Bergfestgedanke“ zu veröffentlichen, in welchem er den unzeitgemäßen Bergfesten Fehde ansagte und gleichzeitig beachtenswerte Vorschläge für eine künftige Durchführung der Bergfeste machte. Das nächste Bergfest wurde im Sinne Hennebergs am 18. August 1929 durchgeführt und mit einem „Tanz unter dem Maienbaum“ beendet. Die Leitung hatten Gauvertreter Albrecht und Tbdr. Henneberg. Die Mitglieder des Kreisvorstandes, die in Eschwege getagt hatten, nahmen als Gäste teil.

Im August 1928 erschien im „Werra-Bote“ folgende Anzeige:

„Zum Meißnerbergfest werden regelmäßige Autofahrten mit 40- und 15- Sitzer Omnibus zu bekannt billigen Preisen ausgeführt. Auskunft und Kartenverkauf bei Otto Kreger in Allendorf und Adam Faber, Autovermietungen, Bad Sooden, Fernruf 102.“

Am 18. August 1929 fand, wie erwähnt, ein Meißner-Bergturnfest unter Leitung von Gauvertreter Albrecht und Gauoberturnwart Henneberg in „neuzeitlicher Form“ statt. Nach dem Wetturnen gab es Tanz unter dem Maienbaum. Das nächste Fest dieser Art fand am 3. August 1930 statt.

Das eigentliche Bergturnfest wurde immer mehr zum Volksfest für die Bewohner der umliegenden Dörfer.

Wieder schrieb damals die Eschweger Tageszeitung:

„Zum Meißnerberfest des Werragaues hatte sich eine große Anzahl von Turnern und Freunden der Turnsache eingefunden. Gauoberturnwart Henneberg hatte alle Vorbereitungen auf das Beste getroffen. Zu den allgemeinen Freiübungen marschierten über 260 Turner und Turnerinnen auf. Bald waren die Wettkämpfe in vollem Gange, und lustig schallte das Echo von fröhlichen Menschen. Um 14 Uhr traten die Meißnermusikanten auf den Plan, und ein prächtiges Bild bot sich.

Im schönsten Sonnenschein wirbelten die Paare um den Maienbaum. Da sah man nichts von neumodischen Tänzen. Kreisvertreter Engelhardt sprach über die Entstehung des Bergfestes vor 30 Jahren und seine Entwicklung bis zur heutigen Form als Volksfest. Hierfür dankte er Henneberg, der die Veranstaltung nach seinen Plänen umgeformt hatte. Er ermahnte zu weiterem festen Zusammenhalten  und treuer Arbeit an der deutschen Turnsache. Gauvertreter Albrecht lenkte die Gedanken 16 Jahre rückwärts auf die Zeit des Kriegsausbruches, gedenkend der vielen gefallenen Turnhelden, und wandte sich dann der Gegenwart zu. An die Rheinlandbefreiung knüpfte er die Hoffnung, dass auch dem Saargebiet die Stunde der Befreiung bald schlage. Nach einem „Gut Heil“ dem Vaterlande ertönte das Deutschlandlied. Gauoberturnwart Henneberg sprach von der Freude auf dem Bergfest und echtem deutschen turnerischen Leben. Sodann nahm der Initiator die Siegerverkündung vor.“

(Anfang der 30-er Jahre, Abgedruckt in „125 Jahre Eschweger Turn- und Sportverein 1848 e.V., Mai 1973, Festbroschüre Seite 102).

 Während des dritten Reiches fanden keine Bergfeste und Kreiskinder-Bergfeste mehr statt. „Erst 1947 konnte das erste Kreiskinder- Bergfest  des Kreises Witzenhausen  auf Betreiben des damaligen Kreisschulrates  Gröninger und erst nach dem Zusammenschluss der beiden Turnkreise Eschwege und Witzenhausen im Jahre 1950 das erste Bergturnfest des Gaues Werra durchgeführt werden. Als Festplatz wurden die Wiesen unterhalb des „Naturfreundehauses“ festgelegt. Ein ständiger Bergfestausschuss wurde gewählt. Der Landrat des Kreises Witzenhausen und der M.d.L. übernahm die Schirmherrschaft des Meißner-Bergturnfestes., das von nun an jedes Jahr im August durchgeführt wird und von Jahr zu Jahr immer mehr Teilnehmer zu verzeichnen hat.“

(Aus der Festbroschüre zum 60. Meißnerbergturnfest am 18. August 1957, Seite 7).

 Nun gab es ja auch noch die Kreis-Kinder-Bergfeste des Kreises Witzenhausen. Über eines dieser Turnfeste gibt es eine nette Anekdote: „Es muss um 1928 gewesen sein, als sich Schüler und Begleiter , wie in jedem Jahr, auf den Weg zum Meißnerturnen begaben. So auch in Kleinvach, wo man mit einem mit Birken geschmückten Leiterwagen losfuhr. Als Kutscher hatten sich zwei gute Freunde zu Verfügung gestellt: Der Gastwirt Adolf Göbel, hervorragender Sänger und Klavierspieler und der für seinen Humor bekannte Schmied Gustav Lückert. -  Gemächlich zogen die beiden Pferde den Wagen durch das Höllental, um schon bald in Vockerode, der Endstation, einzutreffen. Die Schüler gingen zu Fuß weiter. Pferde, Wagen und die beiden Männer blieben im Dorf, um gegen Abend die abgekämpfte Turnerschar wieder nach Hause zu fahren.

Was nun während des langen Wartens tun? Ganz einfach! Sie gingen von Hof zu Hof und sangen und mit ihren Hüten sammelten sie Geld, Eier und Speck. Nachdem sie längere Zeit ihre Lieder vorgetragen hatten und gerade dabei waren, den fünften oder sechsten Hof schwerbeladen und singend zu betreten, ging ein Fenster auf. Ein hübsches Fräulein mit roten Wangen blickte heraus und rief erfreut und erstaunt zugleich: „Äs jo d`r Gustav uss Vache!“ Das Mädchen hatte nun einen der beiden erkannt, ab sofort konnten sie im Dorf nicht mehr als bettelnde Sänger auftreten.

Den Rest des Tages verbrachten sie in der Vockeröder Gastwirtschaft. Als gegen Abend der Wagen heimwärts fuhr, war es recht still in den Reihen geworden. Die Schüler vor Erschöpfung, die beiden Männer vom reichlichen Alkohol. Gut, dass die Pferde ohne große Hilfe den Weg nach Kleinvach gefunden haben. – Der Kommentar der beiden Frauen beim abendlichen Empfang:“Me hunn woas!“

(Auszüge aus Festzeitschriften und Zeitungsartikeln).